BGH-Urteil | 2017: Patientenverfügung muss Behandlungssituationen nennen
Der BGH hat im Februar 2017 in seinem Urteil XII ZB 604/15 entschieden, dass eine erforderliche Konkretisierung des Patientenwillens durch die Bezugnahme auf “ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen” geschehen kann.
In diesem Artikel erfahren Sie:
Was hat der BGH im Detail in Bezug auf Patientenverfügungen entschieden?
Konkret bedeutet das Urteil: Wenn Ihre Patientenverfügung sich nicht auf Ihre aktuelle Lebens- und Behandlungssituation bezieht, ist sie an sich unwirksam. Wenn Sie konkrete Behandlungsentscheidungen in Ihrer Verfügung festgelegt haben, die sich zwar nicht auf ihre aktuelle Situation beziehen, aber hinreichend konkret sind, lassen diese dennoch einen mutmaßlichen Patientenwillen erkennen.
“Nicht ausreichend sind allerdings allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist”.4
Eine an sich unspezifische Patientenverfügung, die Wünsche wie “lebensverlängernde Maßnahmen zu unterlassen” enthält, hat für sich genommen “nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung”. Das entschied der BGH auch bereits im Juli 2016 (BGH, Az XII ZB 61/16).
Ist Ihre Patientenverfügung unwirksam und muss eine konkrete Behandlungsentscheidung getroffen werden, kann das Betreuungsgericht einen Betreuer bestellen. Das Betreuungsgericht überprüft dann, ob die Entscheidung des Betreuers Ihrem Patientenwillen entspricht.
Welche Hintergründe hat das BGH-Urteil zur Patientenverfügung?
In diesem BGH-Fall wurde eine Wachkoma-Patientin jahrelang künstlich ernährt. In Ihrer Patientenverfügung hielt sie fest, keine lebensverlängernden Maßnahmen zu wünschen, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Diese schriftliche Aussage lässt, je nach Prognose der Ärzte, den Wunsch vermuten, dass sie einen Abbruch der künstlichen Ernährung wünscht. Ebenso hielt die Patientin in ihrer Patientenverfügung allerdings fest, dass sie aktive Sterbehilfe ablehnt. Dies wiederum spricht eher für die Fortsetzung der künstlichen Ernährung. Wie soll ein Arzt oder ein Betreuer bei diesen Widersprüchen entscheiden?
Im vorliegenden Fall hat die fehlende Konkretheit der Patientenverfügung dazu geführt, dass die gerichtlich eingesetzten Betreuer über den mutmaßlichen Willen der Patientin befragt wurden.
Die Betreuer, der Sohn und der Ehemann der Patientin, äußerten allerdings unterschiedliche Wünsche und Ansichten. Der Sohn und die behandelnden Ärzte vertreten die Ansicht, dass es Wille der Patientin ist, die künstliche Ernährung zu beenden. Wohingegen der Ehemann vermutet, dass die Patienten auch unter den gegenwärtigen Umständen weiterleben möchte.
Gibt es, wie hier, Unstimmigkeiten unter den Betreuern ist die ohnehin schwierige Situation noch komplexer.
Ein Beitrag von
Franziska Weber
Marketing Managerin
M. A. Global Studies
Verantwortlich für das strategische & operative Marketing bei DIPAT.
Zitate und Quellen
Quellen:
1 BGH, 08.02.2017 – XII ZB 604/15, 21)
2 BGH, 08.02.2017 – XII ZB 604/15, 31b)
3 BGH, 08.02.2017 – XII ZB 604/15, 31b)
4 BGH, 08.02.2017 – XII ZB 604/15, 19)
5 BGH, 08.02.2017 – XII ZB 604/15, 17aa)
6 BGH, 08.02.2017 – XII ZB 604/15, 18)