Was passiert ohne Patientenverfügung?

Eine Patientenverfügung zu erstellen ist der wirksamste Schutz der Selbstbestimmung im Falle der eigenen Einwilligungsunfähigkeit. Was passiert, wenn ein Patient keine Patientenverfügung hat, welche Folgen für Angehörige zu bedenken sind und welche Alternativen anstelle einer Patientenverfügung genutzt werden können, erklären wir Ihnen im Folgenden.

Wozu braucht man eine Patientenverfügung?

Mit einer Patientenverfügung können Sie Ihren Willen und Ihre Wünsche für zukünftige Behandlungen festlegen, falls Sie dann selbst nicht mehr in der Lage sind, sich mitzuteilen. Dabei erklären Sie, welche medizinische Behandlung Sie in welcher Situation möchten und welche nicht.

Ob man eine Patientenverfügung erstellen möchte oder nicht, ist eine höchstpersönliche Entscheidung. Es gibt keine Pflicht, dies zu tun- jedoch können schwere Nachteile für Betroffene und Angehörige die Folge sein, wenn die Patientenverfügung ungültig oder schlicht nicht existent ist.

Was sind die Vorteile und die Nachteile einer Patientenverfügung?

Eine Patientenverfügung bietet Ihnen viele Vorteile:

  • Mit einer Patientenverfügung sorgen Sie dafür, dass Ihre Vorstellung von persönlicher Lebensqualität auch dann berücksichtigt wird, wenn Sie sich selbst nicht mehr mitteilen können.
  • Sie entlastet Angehörige, die sonst in einer emotionalen Ausnahmesituation derartige Entscheidungen für Sie treffen müssten.
  • Sie geben eine Art “Anleitung” für Ärzte, in welcher Behandlungssituation Sie welchen Eingriffen zustimmen würden und erleichtern den andernfalls langwierigen Prozess, Ihren (mutmaßlichen) Patientenwillen herauszufinden.
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Eine Patientenverfügung kann niemals alle erdenklichen Behandlungssituationen abbilden.

Es ist daher ratsam, zusätzlich zu Ihrer Patientenverfügung auch eine Betreuungsverfügung zu erstellen. Darin legen Sie einen gesetzlichen Betreuer fest, der in einer solchen Situationen für Sie entscheiden soll.

Nachteile hat eine Patientenverfügung nicht. Unter Umständen verkürzen die darin getroffenen Entscheidungen das Leben eines Patienten- dann, wenn er oder sie in einer bestimmten Situation explizit keine Behandlung mehr wünscht. Mit einer Patientenverfügung kann das Selbstbestimmungsrecht auch für das eigene Lebensende erhalten werden.  

Wenn Sie sich gegen eine Patientenverfügung entscheiden ist es ratsam, vertraute Personen über Ihre Behandlungsvorstellungen zu informieren, sodass diese-wenn nötig- später die Entscheidungsfindung der behandelnden Ärzte unterstützen können.

Noch besser ist es, Sie verfassen zumindest eine Betreuungsverfügung oder Vorsorgevollmacht. Damit kann ein Angehöriger oder eine vertraute Person direkt für Sie entscheiden.

Im Ernstfall keine Patientenverfügung: wer entscheidet?

Falls Sie im Vorfeld keine Entscheidung treffen und ein medizinischer Notfall eintritt, werden soweit möglich, andere befragt, um herauszufinden, ob Sie selbst vermutlich in die jeweiligen Behandlungen einwilligen oder diese abzulehnen würden. Jedoch: nicht immer ist Zeit, um Angehörige in die Entscheidung einzubeziehen. Es gibt auch zeitkritische Situationen, z. B. einen Kreislaufstillstand, in denen Ärzte eigenmächtig handeln müssen, wenn keine Patientenverfügung vorliegt. In dieser Notsituation wird ohne Patientenverfügung meistens weiterbehandelt - leider oft unabhängig von dem erwartbaren Ergebnis oder den Erfolgsaussichten.

Ohne Patientenverfügung müssen Ärzte den Patientenwillen selbst ermitteln

Eines ist klar: kein Arzt hat das Recht, Patienten gegen deren Willen zu behandeln. Einen Patienten zu einer Behandlung zu zwingen kann ebenso grausam sein, wie ihm eine gewünschte Behandlung zu verweigern. Ganz abgesehen davon ist beides grundsätzlich eine Straftat. Begeht ein Arzt eine solche Tat, ist der Fall klar und das Urteil leicht. Das Problem in der Praxis ist nur: Um den Patientenwillen zu befolgen, muss ein Arzt wissen, was genau der Patientenwille ist. Ist der Patient nicht einwilligungsfähig und/oder hat keinerlei Ausdrucksmöglichkeit gegenüber den Medizinern, ist das ein großes Problem.

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Vertrauenspersonen wie nahe Angehörige werden übrigens nicht automatisch zum gesetzlichen Betreuer ernannt.

Es gibt auch Situationen in denen ein Berufsbetreuer eingesetzt wird. Außerdem ist die Entscheidung über Ihre weitere Behandlung für Angehörige in einer solchen Ausnahmesituation immer besonders schwer und emotional eine enorme Belastung.

Es ist egal -ob mit oder ohne Patientenverfügung- in jedem Fall ratsam, mit Vertrauten oder nahestehenden Personen über eigene Behandlungswünsche und die persönlichen Behandlungsgrenzen zu sprechen. Gibt es keine Patientenverfügung, können diese Personen so zusammen mit den Ärzten versuchen, sich dem Patientenwillen zu nähern.

Bedenken Sie allerdings: auch Angehörige oder eine Vertrauensperson sind nur solange eine Hilfe bei der Ermittlung des Patientenwillen, wie sie sich einig sind über den mutmaßlichen Willen des Patienten. Gibt es unterschiedliche Meinungen hierüber oder scheinen die persönlichen Wünsche der (mitunter verzweifelten) Angehörigen als die des Betroffenen formuliert zu werden, hilft dies dem Krankenhauspersonal in keinster Weise.

Um in Notaufnahmen beschäftigtes Personal bei ethischen Fragen zu unterstützen, hat die Deutsche Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) eine „Checkliste Notfallpatienten“ herausgegeben, die kostenfrei heruntergeladen werden kann. Sie soll helfen, wenn es keine Patientenverfügung gibt und die Angaben der Angehörigen keine Hilfe sind für die Mediziner. Gleichzeitig plädiert die DGINA für die Errichtung von Ethikkomitees in deutschen Notaufnahmen, welches dem behandelnden Personal bei ethisch relevanten Fragestellungen zur Seite stehen soll.

Keine Patientenverfügung: was bedeutet das für den (Ehe-)Partner?

Ist eine Patientin oder ein Patient nicht in der Lage, medizinischen Behandlungen zuzustimmen oder diese abzulehnen, wird diese Entscheidung einem gerichtlich bestellten Betreuer überlassen. Dieser Betreuer wird vom Betreuungsgericht zur Vertretung einer Einwilligungsunfähigen Person ernannt. Leider ein häufiger, schwerwiegender Irrtum: diese Betreuungsaufgabe wird mitnichten automatisch dem nächsten Angehörigen zuteil. Allein durch ein Verwandtschaftsverhältnis oder einen bestimmten Familienstand ergibt sich keine automatische Entscheidungsmacht oder priorisierte Berufung durch das Betreuungsgericht. Daher ist es immer und unbedingt ratsam, für den Fall der eigenen Einwillungsunfähigkeit eine Betreuungsverfügung zu verfassen. In dieser wird das Gericht gebeten, eine bestimmte Person, zum Betreuer für den Ausstellenden zu bestellen. Spricht kein eindeutiger Grund dagegen, folgt das Betreuungsgericht diesem Wunsch. Im Übrigen können auch Kinder als Betreuer ihrer Eltern bestellt werden, insofern sie geeignet sind die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen und eine Betreuung im benötigten Umfang möglich machen können. Betreuer müssen also geschäftsfähig sein, um etwa einen Mietvertrag zu kündigen oder ein Konto zu eröffnen.

Ein Fallbeispiel: Was passiert ohne Patientenverfügung

Wie die ZEIT berichtet1, hat ein Hausarzt einen schwer Demenzkranken durch Ernährung per Magensonde sechs Jahre am Leben gehalten.

Patient Heinrich S. litt offenbar seit 1996 unter anderem an Demenz und chronischen Schmerzen. Seit 2003 sprach er nicht mehr und wurde im Pflegeheim im Bett „fixiert“ – also festgebunden. Eine problematische Maßnahme, die Heime dann ergreifen, wenn ein Patient aus ihrer Sicht nicht mehr anders vor sich selbst zu schützen sei. 2006 ist Heinrich S. laut Zeitungsbericht durch die ständige Bewegungsunfähigkeit in seiner Muskulatur so versteift, dass die Fixierung nicht mehr erforderlich ist. Wie viele bettlägerige Patienten in dieser Lage kann er nicht mehr anders ernährt werden, als durch eine PEG-Sonde, einen dünnen Plastikschlauch, der in den Magen eingelegt wird. Wie leider üblich, resultiert aus der Behandlung ein Zustand ständiger wiederkehrender Lungenentzündungen, und damit Krankenhauseinlieferungen. 2011 schließlich verstirbt Heinrich S.

Fehlt bei einem Menschen, wie hier bei Heinrich S. eine Patientenverfügung, stellt das Gesetz die Entscheidung des Betreuers an die Stelle des Patientenwillens. Dieser wollte einem Stopp der künstlichen Ernährung aus ungeklärten Gründen nicht zustimmen. Hätte der Hausarzt die Sondenernährung eingestellt, hätte er sich mit einiger Wahrscheinlichkeit dem Vorwurf ausgesetzt, das Sterben des Heinrich S. gegen dessen vom Betreuer „festgelegten“ Willen zugelassen zu haben. Weil er das nicht tat, fand er sich nun aber mit dem gegenteiligen Vorwurf vor dem Münchner Landgericht wieder.

Der vor Gericht klagende Sohn lebte seit Jahren in den USA und war seinem Vater, nach eigener Angabe, weitgehend entfremdet. Sein Vater habe solche Behandlung nie gewollt und durch sie nur sinnlos gelitten. Vom Arzt verlangt er deshalb 150.000 EUR Schmerzensgeld. Die Klage gegen den Hausarzt auf Haftung und Schmerzensgeld wurde vom Gericht schließlich abgewiesen2.

Wie ist die aktuelle Situation in Deutschland?

Ein ähnliches Schicksal wie in diesem Beispiel erleiden in diesem Augenblick hunderte Menschen in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern in Deutschland. Durch das fehlen einer Patientenverfügung oder die Entscheidung Anderer werden sie behandelt- unabhängig von ihrem eigenen Willen und ohne jede Möglichkeit der Selbstbestimmung. Ohne eine Patientenverfügung werden die Geräte nicht abgeschaltet und lebensverlängernde Maßnahmen aufrecht erhalten, solange wie möglich. Warum das so ist?

Es steht Ärztinnen und Ärzten nicht zu, ihre eigenen Vorstellungen über die „Lebenswürdigkeit“ eines Zustandes an die Stelle des Patientenwunsches zu setzen. Dieses Verbot gilt absolut – im Guten wie im Schlechten. Hier sind sich Ärzte und Gerichte einig, und es ist anzunehmen, dass auch der Hausarzt des Heinrich S. diesem Berufsgrundsatz gefolgt ist. Den Wunsch seines Patienten konnte er im vorliegenden Fall gar nicht kennen. Eine wirksame Patientenverfügung mit medizinisch präzisen Aussagen zu lebenserhaltenden Maßnahmen hätte all das wohl verhindern können.

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Welche Alternativen gibt es zur Patientenverfügung?

Wenn Sie selbst für den Fall vorsorgen wollen, dass Sie sich nicht mehr mitteilen können, dann ist eine Patientenverfügung unumgänglich. Nur damit können Sie selbst festlegen, welchen pflegerischen und medizinischen Maßnahmen Sie zustimmen oder welche Sie ablehnen. Möchten Sie diese Entscheidung komplett in die Hände eines Anderen geben, dann können Sie auch nur eine Betreuungsverfügung erstellen. Beide Vorsorgedokumente lassen sich auch kombinieren.


FAQ

Ist eine Patientenverfügung für die Aufnahme in einem Pflegeheim verpflichtend?

In Vorbereitung der Verlegung in eine Pflegeeinrichtung oder beim Aufnahmegespräch wird in der Regel das Vorhandensein einer Patientenverfügung erfragt. Nach § 1901a darf das Erstellen einer Patientenverfügung nicht zur Bedingung für einen Vertragsschluss gemacht werden. Entsprechend kann für die Aufnahme eines Pflegebedürftigen nicht zur Bedingung gemacht werden, dass dieser eine Patientenverfügung erstellt hat.

Reicht es, wenn Nahestehenden der eigene Wunsch bereits mündlich mitgeteilt worden ist?

Eine Patientenverfügung muss schriftlich verfasst werden. Es ist eine gute Idee, vor dem Erstellen einer Patientenverfügung zunächst die eigenen Wertvorstellungen mit nahestehenden Personen zu besprechen- damit sie jedoch sicher berücksichtigt werden, ist dies nicht ausreichend. Nun eine jederzeit für den Notfall abrufbare, medizinisch präzise Patientenverfügung ist für den Ernstfall wirksam und auch unmittelbar zugänglich.

Zitate und Quellen

1 https://www.zeit.de/zustimmung?url=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2F2017%2F06%2Fpalliativmedizin-muenchen-arzt-tod-prozess-pflegeheim

2 https://openjur.de/u/950376.html

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